Wie fing alles an?

Antiquitätenhandel ist mehr als nur ein Job, es ist eine Liebesgeschichte, eine Lebenseinstellung und man sollte auf jeden Fall noch ein großes Interesse an Geschichte und Design mitbringen.

Mitte des letzten Jahrhunderts kamen meine Eltern jeweils mit nur einem Koffer in der Hand als Flüchtlinge bzw. Vertriebene nach Frankfurt/Main. Irgendwie fehlten bei uns immer ein paar Puzzleteile, zum Beispiel dieses Haus der Großeltern, voll mit alten Dingen oder anderen Sachen, die an vorhergegangene Generationen erinnerten. Wir hatten nur ein paar schwarzweiss Photos. Vielleicht schätze ich auch deshalb alte Dinge, egal wie banal sie sein mögen, so sehr, denn sie erzählen eine Geschichte und haben es verdient, mit Respekt behandelt zu werden.

Neben der Schönheit alter Dinge gibt es aber auch praktische Überlegungen: die Qualität, Umweltverträglichkeit und die Nachhaltigkeit. 

Nach Tätigkeiten in der Werbung und in Industrie und Handel führte mich mein Weg nach London, wo ich Kunst- und Designgeschichte studierte und auch meine Tochter geboren wurde. Murielle’s Antiques wurde 2014 an einem wackligen alten Küchentisch in Hackney, London geboren. Eigentlich war es ein Hobby, aber es lief so gut, dass ich bald jedes Wochenende auf Antikmärkten in London und Südengland arbeitete und kurz darauf auch einen Webshop eröffnete. Es folgten etliche Aufträge, Nachlässe zu sichten, Menschen zur Seite zu stehen, die evtl. nicht nur mit dem Verlust einer wichtigen Person in ihrem Leben zu kämpfen hatten, sondern auch noch unter Zeitdruck standen, schnellstmöglich ein ganzes Haus leer zuräumen, und nicht wussten, wo sie anfangen sollten.

Das sind Dinge, die mich selten kaltlassen, da ich dies auch schon selbst durchgemacht habe, als ich alleine mein Elternhaus leer räumen musste. Es gab aber auch Aufträge, die ich aus anderen Gründen niemals vergessen werde; eine Kundin rief mich an, weil sie Möbel zu verkaufen hatte, sie erzählte mir beiläufig, ihre Eltern waren jüdisch, ihre Mutter die einzige Überlebende des Holocaust. Diese Erinnerungen treiben mir auch Jahre später noch die Tränen in die Augen, und ich erinnere mich daran, wieviel Würde und Vergebung diese Familie ausstrahlte. Ich hatte noch viele ähnliche Aufträge in den folgenden Jahren, aber diese Familie in Nord London werde ich nie vergessen.

Nach 20 Jahren in England kam ein erneuter Heimatwechsel, diesmal von London zurück in den Kreis Groß-Gerau. Ein Neuanfang und die Freude, in einem Beruf zu arbeiten, der mir viel bedeutet.